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Studie

Klinikpatienten im Norden sind nicht sehr zufrieden

„Keine Qualitätsvorgaben im Krankenhausplan“: Niedersachsen habe seine Krankenhauser vernachlässigt, sagen die Autoren der Studie.

„Keine Qualitätsvorgaben im Krankenhausplan“: Niedersachsen habe seine Krankenhauser vernachlässigt, sagen die Autoren der Studie.

Hannover. In Niedersachsen sind die Patienten mit ihren Klinikaufenthalten weniger zufrieden als ihre Leidensgenossen in Sachsen oder Bayern. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Internetportals „Weisse Liste“ hervor. Im Schnitt würden in Sachsen und Bayern rund 82 Prozent eine Klinik, in der sie gerade behandelt wurden, ihren Freunden weiterempfehlen. In Niedersachsen liegt das Durchschnittsergebnis dagegen nur bei 76,7 Prozent.

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Nur Bremen ist schlechter

In dem Portal „Weisse Liste“ können Patienten Krankenhäuser danach beurteilen, ob sie mit Ärzten, Pflegern, Hygiene und Essen zufrieden waren. Die jetzt veröffentliche Auswertung stützt sich auf eine Million Fragebögen, die Patienten 2015 und 2016 zwei bis acht Wochen nach einem Klinikaufenthalt abgegeben hätten, sagt Studienleiter Jan Böcken. Einzelne Kliniken wurden demnach fast uneingeschränkt weiterempfohlen, andere noch nicht einmal von jedem zweiten Patienten. Von der Zufriedenheit lasse sich auch auf die Qualität der Häuser schließen, sagt der Projektleiter.

1579 Krankenhäuser wurden bundesweit untersucht, 28 kamen auf Zufriedenheitswerte von mehr als 95 Prozent. 15 Häuser erreichten nicht einmal eine Weiterempfehlungsquote von 60 Prozent. Auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen liegen die Patientenbewertungen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 79,3 Prozent . Und in Bremen fiel das Studienresultat mit 73,9 Prozent noch schlechter aus als in Niedersachsen. Die Wissenschaftler billigen dem Stadtstaat allerdings „besondere Problemlagen“ zu.

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Die schlechte Bewertung in Deutschlands viertgrößtem Bundesland Niedersachsen dagegen nannten sie „überraschend“.  Mehr als jedes vierte Krankenhaus schneide sogar besonders schlecht ab. Auch die erlebte Versorgungsqualität in den zentralen Disziplinen Innere Medizin und Chirurgie blieben hinter den Erwartungswerten zurück.

In den größeren niedersächischen Städten fallen die Ergebnisse noch mal unterschiedlich aus. In Hannover und Umgebung beispielsweise schwanken die Zustimmungswerte den aktuellen Ergebnissen des „Weisse Liste“-Portals zufolge zwischen 92 Prozent (DRK-Clementinenhaus Hannover) und nur 67 Prozent (Krankenhaus Neustadt a. Rbge., Teil des Klinikums Region Hannover). Im Raum Osnabrück und in und um Oldenburg liegen die Werte fast durchgängig oberhalb von 80 Prozent. In Braunschweig erreichen vier Kliniken Werte um die 90 Prozent.

Warum aber schneidet Niedersachsen im Bundesvergleich so dürftig ab? Jan Böcken und seine Kollegin bei der „Weissen Liste“, Hannah Wehling, tippen darauf, dass das Land „keine Qualitätsvorgaben im Krankenhausplan macht“. Außerdem habe Niedersachsen in den vergangenen 25 Jahren seine Hospitäler vergleichsweise wenig unterstützt – nur Nordrhein-Westfalen habe seit 1990 relativ betrachtet noch weniger in Kliniken investiert. Inzwischen hole Niedersachsen aber etwas auf, sagt Böcken.

Letzteres betont auch das Sozialministerium in Hannover: Niedersachsen habe allein im vergangenen Jahr gut 700 Millionen Euro für die Förderung neuer Krankenhaus-Bauprojekte investiert, zusätzlich 117 Millionen für mittelgroße Projekte und die Miete von Krankenhausimmobilien. Das sei bundesweit einzigartig. Sozial- und Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) wolle gezielt zukunftsfähige Krankenhausstandorte stärken, erklärte ein Sprecher.

Mehr Befragungen?

Auch andere Ergebnisse der Bertelsmann-Untersuchung bergen Überraschungen. So können auch Kliniken in strukturschwachen Regionen gut abschneiden: Fünf der zehn bestbewerteten Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern liegen in abgelegenen Gegenden. Wettbewerb macht Patienten nicht zufriedener: In Regionen mit vielen Krankenhäusern wird die Versorgung nicht unbedingt als besser empfunden. Und: Je besser die ambulanten Strukturen – also die niedergelasssenen Ärzte – in die Klinikbehandlung eingebunden sind, desto zufriedener sind Patienten auch mit der stationären Versorgung

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Die Autoren der Studie bemängeln, dass die Perspektive des Patienten bisher nirgendwo dauerhaft und systematisch in die Krankenhausplanung einfließe. Und selbst da, wo der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Gremium zur Planung des deutsche Gesundheitswesens, Indikatoren für Qualität entwickelt habe, sei die Umsetzung für die Bundesländer freiwillig.  Das müsse sich ändern, es müsse bundesweit überprüft werden, ob die Länder sich an den Qualitätskriterien orientieren – und die Planer sollten mehr auf Patientenbefragungen setzen.

Die Medizinische Hochschule Hannover – sie erreicht im „Weisse Liste“-Portal 82 Prozent – sieht „jeden Patienten, der uns nicht weiterempfiehlt“, als Ansporn an, seine Kritikpunkte „sehr ernst zu hinterfragen“, wie MHH-Sprecher Stefan Zorn sagt. Die MHH habe sich gerade zur Gänze zertifizieren lassen, um „auch bei den Behandlungsabläufen noch effizienter für die Patienten zu werden“.

Was ist die „Weisse Liste“?

Bei der „Weissen Liste“ handelt es sich um ein Online-Angebot zur Krankenhausbewertung. Die Internetseite wird von der Bertelsmann-Stiftung und den Dachverbänden der größeren Patienten- und Verbraucherorganisationen gemeinsam betrieben. Schirmherrin ist Staatssekretärin Ingrid Fischbach, die Patienten-Bevollmächtigte der Bundesregierung. Zu den Projektpartnern gehören auch Krankenkassen.

Unter der Internetadresse www.weisse-liste.de kann man beispielsweise sein gesundheitliches Problem und den eigenen Wohnort eingeben und sich anzeigen lassen, welche Kliniken am Ort oder im Umkreis eine Behandlung anbieten und wie sie von anderen Patienten bewertet wurden. Mittlerweile hat das Portal rund 2,5 Millionen Bewertungen gespeichert.  

Von Bert Strebe

HAZ

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