Demo vorm Landtag in Hannover gegen Straßenausbausatzung
„Straßenbeiträge komplett abschaffen“: Initiativen aus ganz Niedersachsen, darunter auch mehrere aus Hannover, demonstrieren vor dem Landtag.
Quelle: Tim Schaarschmidt
Hannover. „Alle fahren – wenige sollen zahlen“ stand auf den Transparenten und „Weg mit der Strabs“: Etwa 300 Protestierer aus 23 Initiativen von Stade bis Bad Salzdetfurth, von Bremerhaven bis Hessen haben am Donnerstag vor dem Landtag in Hannover gegen die umstrittene Umlegung der Straßenerneuerungskosten auf die Eigentümer der Anliegerimmobilien demonstriert. Aus Hannover waren Betroffene aus Badenstedt, Misburg, Ricklingen, der Südstadt und anderer Stadtteile dabei. Anlass war eine Anhörung zu einem Gesetzesentwurf der FDP: Sie will das Umlageverfahren komplett streichen.
Die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung („Strabs“) ist seit vielen Jahren umstritten. Wie Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund in der Anhörung nüchtern-korrekt sagte: „Niemand zahlt gerne Steuern und Abgaben.“ Die Rechtslage allerdings ist eindeutig: Wer ein Haus baut, ist selbst für die Herstellungskosten verantwortlich, und dazu zählen außer regelmäßig zu erneuernden Einrichtungen wie Dach, Fenster oder Fassade auch der Beitrag dafür, dass Rohre und Leitungen zum Haus gelegt werden und eine Straße zum Haus gebaut wird. Die Kommune muss zwar die Straßen pflegen. Wenn sie aber komplett erneuert werden muss, was nach 30 bis 50 Jahren der Fall ist, zahlen anteilig wieder die Eigentümer.
Der Geschäftsführer des Städtetags, Ulrich Mende, der als Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung sprach, bezeichnete die derzeitige Regelung als „zutreffend geregelt“: „Nur diejenigen, die einen Vorteil haben, werden herangezogen.“ Die Kommunen übernähmen schließlich je nachdem, ob es sich um eine Anlieger- oder Durchfahrtsstraßen handelt, einen Anteil von bis zu 70 Prozent der Kosten. Das gab spöttische Lacher von den Vertretern der Initiativen auf den Zuschauerplätzen. Mende geißelte aber auch, dass die FDP in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen wolle und erinnerte daran, dass die Partei 2005 alle Wahlmöglichkeiten zur Aufteilung abschaffen wollte: „Dann hätten wir nur nach diesem System umlegen dürfen.“
Der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen räumte ein, man habe dazugelernt. Der Vorschlag seiner Fraktion: Das Land soll den Kommunen die Umlage der Kosten verbieten und im Gegenzug über den Kommunalen Lastenausgleich die Anliegerbeträge übernehmen. Steuerzahlerbund-Chef Zentgraf schätzt, dass es ich um 80 bis 100 Millionen Euro jährlich handelt. Reinhold Horst vom Eigentümerverband Haus & Grund würde diese Regelung begrüßen. Das bisherige System sei „ruinös“ vor allem für ältere Eigentümer, die kaum noch Kredite bekämen. Zudem sei es ungerecht, dass Mieter nicht an den Kosten beteiligt würden. Dagegen verwahrte sich Reinold von Thadden vom Mieterbund: Mieter leisteten mit ihren regelmäßigen Zahlungen bereits den Beitrag dafür, dass der Hauseigentümer Haus und Umfeld instandhält.
Tibor Herczeg vom Verband Wohneigentum argumentierte ähnlich wie Haus & Grund: „Das Land gibt den Kommunen die Pflicht auf, die Straßen zu unterhalten – dann muss es auch für einen Ausgleich sorgen.“ Die von der rot-grünen Vorgängerregierung eingeführte Alternative, statt einmaliger Anliegerkosten regelmäßige Beträge einzuführen, sei bürokratisch und beinhalte große Rechtsunsicherheiten. Nur Springe und Burgwedel dächten derzeit über solche Modelle nach, Winsen habe sich davon wegen des hohen Verwaltungsaufwands verabschiedet.
Tatsächlich hat Springe beschlossen, statt der Strabs-Umlage regelmäßig Kosten von allen Springer Bürgern zu erheben. Auch Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg schaffen die einmalige Umlage ab, Bayern und Hessen arbeiten an neuen Gesetzen. In Niedersachsen dürfte der FDP-Entwurf wenig Chancen haben: Als die Partei in Regierungsverantwortung war, hat sie die Straßenausbaubeitragssatzung nicht angefasst. Jetzt ist sie in der Opposition, wo Vorschläge kaum Chancen auf Umsetzung haben.
Prompt kam nach der Anhörung eine Stellungnahme des CDU-Abgeordneten Sebastian Lechner: Eine „Kostenübernahme durch das Land“ sei „nicht zu leisten“. Man wolle aber einen Vorschlag erarbeiten zum Abfedern sozialer Härten. Derzeit können Eigentümer eine Stundung der Beiträge erbitten, allerdings zum Zinssatz von sechs Prozent. Der sei angesichts niedriger Zinsen nicht mehr zeitgemäß und müsse gesenkt werden, sagt Lechner.
Von Conrad von Meding
HAZ